In der Geschichtswissenschaft gilt das Jahr 1453 als Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Die Welt veränderte sich im Verlauf des 15. Jahrhunderts: Gutenberg erfand zwar streng genommen nicht den Buchdruck, aber er sorgte dafür, dass sich diese Technik weiter entwickelte und etablierte; 1492 entdeckte Europa Amerika und zum selben Zeitpunkt vertrieb man die letzten Araber von der iberischen Halbinsel. Und mit der Stadt Byzanz hatten die Osmanen eine wichtige christliche Bastion erobert, die ihren politischen Stellenwert nochmals enorm aufwertete. Doch woher kamen die Osmanen, die für einige Jahrhunderte die Geschicke Westeuropas entscheidend mitbestimmten?
Sie waren ein türkischer Volksstamm. Zum ersten Mal erwähnte eine Schrift den Volksstamm der Türken im 6. Jahrhundert, in der sie als Gök-Türken bezeichnet wurden. Im weiteren Verlauf sollten es die Seldschuken sein, die sich von Anatolien her ausbreiteten und ihr Herrschaftsgebiet nach Westen kontinuierlich ausdehnten. Die Rum-Seldschuken (Rum=Rom) begründeten zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert eine anatolische Großmacht, dem Sultanat von Konya. Nach dem Untergang des Reiches der Rum-Seldschuken wanderte eine Vielzahl von türkischen Stämmen nach Anatolien und errichtete eine Vielzahl von kleineren Herrschaftsregionen. Dabei verlor das byzantinische Reich allmählich einen Großteil seines Einflussgebietes an die neuen Machthaber.
Dem Anführer Osman gelang es mehrere türkische Stämme unter seine Herrschaft zu bringen und das nach ihm benannte Osmanische Reich begann seinen Aufstieg. Orhan, ein Nachfolger Osmans, eroberte schließlich die Stadt Bursa und erklärte sie zur Hauptstadt des Osmanischen Reichs. Bereits vor der Eroberung des späteren Istanbuls reichte die Machtsphäre der Osmanen bis nach Südeuropa, somit war die Eroberung von Byzanz ein erster Abschluss und Arrondierung des Staatsgebiets der Osmanen.
Von 1299 bis 1922 regierten insgesamt 37 Herrscher über das Osmanische Reich, wobei sich der Titelbegriff des Sultans (=Alleinherrscher) im 14. Jahrhundert spätestens etablierte. Der Sultan trug ab 1517, nach der Einverleibung Syriens und Ägyptens auch den Titel des Kalifen, und vereinigte sowie präsentierte somit in einer Person sowohl die weltliche als auch die geistliche höchste Autorität. Besonders die Religion spielte in der osmanischen Gesellschaft eine große Rolle, bestimmte sie doch über Ansehen und Stellung in der Gesellschaft. In einzelnen Millets (Glaubensgemeinschaften) unterteilt, lebten die religiösen Volksgruppen innerhalb des Osmanischen Reichs friedlich nebeneinander. Das Sultanat zeigte kein Interesse an der Glaubensbekehrung der Christen oder anderer Religionsangehöriger, die innerhalb des Reiches lebten. Das System der Millets funktionierte bis ins 19. Jahrhundert relativ reibungslos.
Als Gottesgeißel und Antichrist bezichtigte Westeuropa hingegen die türkische Gefahr aus dem Osten. Allerdings schmiedete das katholische Frankreich im 16. Jahrhundert ein Bündnis mit der Hohen Pforte in Istanbul gegen das ebenfalls christliche Habsburgerreich. In der Frage des politischen Kampfes war man also durchaus bereit die christlichen Glaubensbrüder zu hintergehen. Im 16. Jahrhundert erfuhr das Osmanische Reich sein „Goldenes Zeitalter“, dass allerdings durch die Niederlage 1529 vor Wien und schließlich in der Seeschlacht von Lepanto 1570 erste Dämpfer erhielt. Trotzdem schob sich das Osmanische Reich weiter nach Westen vor und besaß seinen Schwerpunkt in Europa; genau genommen in der Region des Balkans und in Griechenland. Diese Region bezeichnet man auch als Rumelien.
Im Verlauf des 17. Jahrhunderts verschoben sich dann die Machtverhältnisse wieder zugunsten der westeuropäischen Staaten. Nach der Niederlage 1683 vor Wien und dem Friedensvertrag von Karlowitz 1699 mussten die Osmanen zum ersten Mal Gebietsverluste hinnehmen. Das Königreich Ungarn geriet im 18. Jahrhundert in die Hände Österreichs, das zur dominierenden Kraft des Balkanraums wurde. Außerdem hatte sich das Osmanische Reich, dass sich auch durch innenpolitische Querelen und Machtkämpfe selbst schädigte, eines weiteren außenpolitischen Feind zu erwehren. Das Zarenreich drang immer weiter nach Süden vor und beabsichtigte die Kontrolle über das Schwarze Meer für sich zu gewinnen. In 20 Kriegen während des 18. und 19. Jahrhunderts beendete Russland fast die Ära des Osmanischen Reichs. Aber infolge der Unterstützung der westeuropäischen Mächte konnte ein Zusammenbruch des Reichs verhindert werden. Die „Orientalische Frage“, wer also das Osmanische Reich beerbte, war eine der zentralen politischen Fragen des 19. Jahrhunderts. Europa hatte an der Aufrechterhaltung des Osmanischen Reichs ein Interesse, da es als Bollwerk gegen die Expansionsbestrebungen Russlands diente. Seinen Einfluss sicherten sich Frankreich, England und die Niederlande auch wirtschaftlich, indem sie Kapitulationen mit dem Sultan aushandelten. Diese Kapitulationen waren maßgeblich verantwortlich für den wirtschaftlichen Rückstand und die Auflösung der osmanischen Reichsordnung.
Für eine Neuordnung des „kranken Mann am Bosporus“ sorgten zwar einige innere Reformen (Tanzimat), die in einer ersten Veröffentlichung einer Verfassung 1876 mündeten, aber es gelang keine umfassende politische Neuausrichtung des Gesamtsystems. Zudem bekämpfte eine nationalistische türkische Bewegung das Sultanat. 1908 gelang auch der Umsturz der Jung-Türken, die noch im selben Jahr die Verfassung von 1876 wieder erließen, nachdem sie der Sultan Abdülhamid II. zwischenzeitlich aufgehoben hatte. Die Revolution der Jungtürken radikalisierte sich in der Folge und verfolgte das Konzept einer nationalistischen Ideologie, die sich auch in Kampfhandlungen mit den Nachbarstaaten ausdrückte. In den Balkankriegen 1912/1913 verlor das Osmanische Reich aber weitere Gebiete. Und nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs stand das Reich vor seiner endgültigen Auflösung. Im Präliminarfrieden von Mudros 1918 musste das Osmanische Reich seine totale Niederlage einräumen. Der zwei Jahre später erlassene Vertrag von Sevres sah dann schließlich die Aufteilung des Osmanischen Reichs vor. Allerdings hatte seit 1919 der „Nationale Befreiungskampf“ der Türkei schon zu einer anderen politische Gemengelage geführt, die 1920 keine Berücksichtigung in den Verhandlungen gefunden hatte.
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